Spontankauf

Ich mag Boote. Schon immer eigentlich. Ich mag es, auf dem Wasser zu sein und auch mit Mücken habe ich keinen Zwist. Dass ich mir mal ein 13-Meter-Stahlboot kaufen würde, damit hätte ich trotzdem nie gerechnet. Klar hatte ich immer wieder mal über ein Leben auf einem Hausboot nachgedacht, aber es nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

Irgendwann stöberte ich im Kleinanzeigenportal nach Booten und war überrascht, wie viele Angebote es gab. Ich stellte eine E-Mail-Benachrichtigung für neue Anzeigen ein, und schließlich, als ich auf eine interessante Anzeige stieß, vereinbarte ich zögerlich einen Besichtigungstermin.

Partystimmung

Am Abend vor der Besichtigung war ich mit Freunden auf einer Party. „Ich schaue mir morgen ein Boot an,“ sagte ich. „Warum?“ fragten meine Freunde. „Stellt euch vor, ich hätte dann ein Hausboot,“ sagte ich. “ Ich komm mit!“ sagte Tobi.

Erster Besichtigungstermin

Völlig müde von der Party trafen wir uns am nächsten morgen und fuhren raus zu Besichtigung. Das Boot war toll, richtig toll. Ein Stahlverdränger mit einem langen Deck und unten genug Platz zum Wohnen. Es lag im Wasser und bot einen wunderschönen Anblick auf den See. „Kann ich hier eine Dusche einbauen?“ fragte ich. „Funktioniert der Motor?“ fragte Tobi. Wir schauten uns alles in Ruhe an und baten um Bedenkzeit. Und ich dachte eine Woche lang über nichts anderes nach als das Boot.

Universum und Likör

„Wir müssen unbedingt auf eine Bootsmesse“ sagte ich, und googelte nach Messeterminen. Die nächste fand drei Tage später statt! In Berlin! Man muss schon zugeben, ich war machtlos. Das Universum hatte bei dem Bootskauf ganz schön seine Finger im Spiel.

Also machten wir uns exakt ein Woche nach der Besichtigung auf zur Messe. Nach einem langen Tag mit überraschend viel Inspiration, spannenden Gesprächen und einer ausgiebigen Likörprobe an einem der Stände fiel die Entscheidung: Ja, ich nehme das Boot. Und war dabei aufgeregt wir selten zuvor.

Später am Abend saßen wir beim Essen und diskutierten hitzig die nächsten Schritte. Plötzlich poppte auf meinem Handy die Kleinanzeigen-Benachrichtigung auf: Eine neue Anzeige war gerade veröffentlicht worden. „Schau mal“, sagte ich und hielt Tobi mein Handy. „Hmm, sieht eigentlich auch gut aus“, sagte Tobi. „Eine Besichtigung können wir ja noch machen.“

Mein Boot

Am nächsten Morgen fuhren wir erneut raus, dieses Mal nach Liebenwalde. Und ich sah mein Boot zum ersten Mal. Ein 80 Jahre altes Polizeiboot aus Stahl. Es war der Kracher! Aber auch eine riesengroße, monströse Herausforderung. Der Innenbereichen war entkernt und völlig leer, da war nichts drin. Das Boot bestand aus Rumpf und Deck mit Fenstern sowie einem funktionierendem Motor. Sonst nichts. Kein Boden, keine Wandverkleidung, keine Reling. Das Boot auszubauen würde der pure Wahnsinn werden. Ich kaufte es quasi von der Stelle weg.

Ich weiß nicht, was das für ein Effekt ist: Jede Farbe erscheint irgendwie schön, wenn man sie gerade streicht. Vielleicht weil sie dann so hübsch glänzt oder so. Jedenfalls fand ich Armeegrün beim Streichen zuerst gar nicht mal sooo übel, dann eigentlich ganz ok, und nach fünf Minuten war ich hin und weg. Und so strich ich das Boot, nicht ohne die Hilfe der großartigen Doritt, in mehreren Lagen & Etappen armeegrün. Und die Trittleiter versehentlich gleich mit.

Gemustert

Dunkelgrün oben, schwarz unten – das Boot sah ganz schön eintönig aus. „Wir brauchen gelbe Streifen,“ sagte ich. „Warum?“ fragte Tobi. „Na weil das Boot sonst armeegrün ist,“ sagte ich. Die Wahl fiel auf ein im Baumarkt sorgfältig ausgesuchtes Sonnengelb. „Streifen kann ich,“ dachte ich, klebte das Boot mit Kreppband ab und strich fleißig den Übergang zwischen Überwasserschiff und Unterwasserschiff gelb.

Als ich erwartungsvoll das Kreppband abnahm, verwandelte sich der vermeintlich haarscharf abgeklebte Streifen in eine kurvige, gelbe Flusslandschaft mit zahlreichen Nebenflüssen. Merke: Um Streifen abzukleben nie, nie, niemals Kreppband verwenden. Es sei denn, man mag fransige Ränder. In meinem Fall kam noch hinzu, dass der Untergrund durch die Nieten hubbelig und uneben war. Für die gelbe Farbe geradezu eine Einladung, in alle Richtungen zu verlaufen.

Kunstabteilung

Was tun also? Ich kaufte den dünnsten Pinsel, den ich im Baumarkt kriegen konnte („Ich suche ganz feine Pinsel.“ „Für Gemälde bitte in die Bastelabteilung!“) und malte damit die Kanten des Streifens sauber. 13 Meter Bootslänge x zwei Seiten x zwei Kanten macht 52 Meter Streifen mit einen Feinhaarpinsel nachkorrigieren. Am Liegeplatz ließ der Spott nicht lange auf sich warten.

Für kurze Zeit hatte ich mit dem Gedanken gespielt, oben auch noch Streifen hinzumalen. Zu meiner Verteidigung: Das war vor der Kreppbandbegegnung. Und vor dem Feinhaarpinsel. Danach bestellte ich nur noch Klebestreifen in gelb und weiß, die sich ruckzuck anbringen ließen, und, wie sich am nächsten Morgen herausstellte, in der Nacht teilweise auch ruckzuck wieder abgingen. Ist aber eine andere Geschichte. Vorerst hieß es: Et voilà, das Boot war gelb und weiß gestreift.

Greta

Das armeegrüne, gelb-weiß gestreifte Boot brauchte natürlich noch einen Namen. „Etwas Zeitloses wäre schön,“ dachte ich, und machte mich in Babyforen auf die Suche nach Mädchenvornamen. Greta und Agatha gefielen mir auf Anhieb, Iphigenie und einige andere Namen sortierte ich relativ schnell wieder aus. Am Ende hat Greta es mir angetan. Klassisch, passt zum Alter des Bootes. Greta. So heißt das Boot seitdem. Der Schriftzug hält übrigens wie Bombe.